Ich las unlängst einen wirk­lich aufre­gen­den und aufwüh­len­den Artikel: ´Das big Busi­ness hat einen neuen Schwindel: das Pur­pose-Par­a­dig­ma´ von Maria Hengeveld. Ich fand den Artikel, erschienen im Jän­ner 2019 in der ältesten US-Wochen­zeitschrift ´The Nation´, über einen link auf ein­er mein­er Lieblings-Seit­en, näm­lich www.corporaterebels.com

(Hier der link dazu: https://www.thenation.com/article/big-business-has-a-new-scam-the-purpose-paradigm/

Purpose=Sinnstiftung kann, in Anlehnung an Fink/Moeller, so ver­standen wer­den, dass er über die Inter­essen der Organ­i­sa­tion und der Eigen­tümer hin­aus­re­icht; es geht darum, Beiträge und Wirkung für andere und die Gesellschaft zu schaf­fen. Hengeveld empört sich nun darüber, dass diese Zielset­zung im Pur­pose-Par­a­dig­ma viel­er Großun­ternehmen umgekehrt wird zum Dog­ma: Gutes zu tun ist gut für unser Geschäft. Ganz im Gegen­satz zum angepeil­ten Ziel ist der Punkt von pur­pose nicht, den Wan­del (in Rich­tung von mehr Gerechtigkeit) voranzutreiben, son­dern er stellt sich­er,  dass jede Verän­derung inner­halb der Kom­fort­zone der multi­na­tionalen Konz­erne bleibt.

Laut Hengeveld vernebelt dieser ´schw­er­hörig-fre­undliche McK­in­sey Ton in der Pur­pose Debat­te´, dass es let­ztlich nur um Prof­it geht.…und pur­pose wird dann aktiviert, wenn der Prof­it gefährdet ist. Und eine zen­trale Leitidee für das ganze Pur­pose-Gerede scheint zu sein, damit genü­gend attrak­tiv für die Mil­lenials zu sein. Die Mil­lenials in den angel­säch­sis­chen Län­dern sind antikap­i­tal­is­tis­ch­er als ihre Eltern – und 24% von ihnen mein­ten in ein­er Umfrage, dass die großen Konz­erne die größte Gefahr in der Welt von heute seien. Dem muss natür­lich ent­ge­gengear­beit­et werden.

Hengeveld befasst sich auch aus­führlich mit Unilever. Die Fir­ma ist ange­füllt mit pur­pose-Beken­nt­nis­sen zu Kli­mawan­del und Hil­fe für die Dritte Welt; es wird vernebelt, dass die Fir­ma der größte Einkäufer weltweit von Palmöl ist und die entsprechen­den Schutzmech­a­nis­men intrans­par­ent und für nie­man­den kon­trol­lier­bar sind.  Nach Unter­suchun­gen von unab­hängi­gen Jour­nal­is­ten bringt die frei­willige Palmöl-Plan­ta­gen-Zer­ti­fizierung von Unilever genau nichts…Und nichts desto trotz wird der pen­sion­ierte CEO Pol­man als Fah­nen­träger von unternehmerisch­er Nach­haltigkeit und social Busi­ness gepriesen.

Pol­man wird als wahrer lead­er­ship Hero beschrieben, doch gle­ichzeit­ig erwies er sich als geschick­ter Lob­by­ist für die Abschaf­fung der Div­i­den­denbesteuerung in den Nieder­lan­den (dieses 2‑Mil­liar­den-Euro-Geschenk wäre eine ele­gante Umverteilung von unten nach oben gewe­sen, wurde dann aber abgeblasen).

Der ganze pur­pose-Zeit­geist erweist sich in vie­len Fällen also als gewinnbrin­gend für ein Unternehmen, aber als irrel­e­vant für die Lösung glob­aler Prob­leme und die dafür notwendi­gen Veränderungen.

Im Kern geht es darum, dass viele Unternehmen behaupten, es gibt keine Dif­ferenz zwis­chen Prof­it, men­schlichen Bedürfnis­sen und der Umwelt, während in Wahrheit eine Wand zwis­chen diesen Bedürfnis­sen liegt. Mit anderen Worten: ohne den Prof­it als ober­stes Mantra abzulösen oder zumin­d­est um andere Zielset­zun­gen zu ergänzen ist der Fokus auf den pur­pose nicht glaubhaft.

Warum ich diesen Artikel so aus­führlich erwähne: weil er radikal ehrlich ist. Ich ärg­ere mich zunehmend über diese pur­pose Indus­trie voller Halb­heit­en. Ich denke, ein Unternehmen muss ganz klar deut­lich machen, wo es zugun­sten des drin­gend notwendi­gen Fokus auf Nach­haltigkeit und gerechte Entwick­lung auch bere­it ist, auf Gewinn oder Geschäftschan­cen zu verzicht­en. Andern­falls ist dies nicht glaubhaft…

Und dann noch – als pos­i­tiv­en Abschluss! – eine Buchempfehlung der wirk­lich erfreulichen Art:

Ich kann das Buch ´Pur­pose Dri­ven Orga­ni­za­tions: Sinn-Selb­stor­gan­i­sa­tion-Agilität´ von Franziska Fink und Michael Moeller von der Berater­gruppe Neuwaldegg nur wärm­stens empfehlen: es ist gle­icher­maßen fundiert wie inspiri­erend. Und die dort ange­führten Beispiele für Unternehmen mit ein­er umfassenden Sinn-Ori­en­tierung sind – im Unter­schied zu den Sprech­blasen viel­er glob­aler Konz­erne – authen­tisch, glaub­haft und gut recherchiert.