Ein Coaching-Kunde von mir besuchte um die Jahreswende einen Neujahrsempfang einer Beratungsfirma in München. Dabei sprach Frederic Laloux, ein ganz wichtiger Pionier von ´new work´ und Autor des Buches ´Reinventing organizations´ über das Leiden von Führungskräften.
Wörtlich sagte er:
Es macht heute keinen Spaß mehr, Top-Führungskraft zu sein. Die Arbeit an der Unternehmensspitze ist zu einem »Rat Race« verkommen. Jeder ist unglaublichem Druck ausgesetzt, den alle irgendwie auszuhalten versuchen. Im Grunde bewegen sich fast alle am Rande des Burnouts. Interessanterweise will das keiner thematisieren. Führungskräfte verheimlichen die Probleme gegenüber ihren Teams, oft auch gegenüber Freunden oder Ehepartnern. Der Grund dafür ist ein sehr einfacher: Es hat sie so viel Arbeit gekostet, dorthin zu gelangen, wo sie jetzt sind. Zuzugeben, dass man sich in der Position nicht wohlfühlt, wäre, als gestünde man eine Niederlage ein.
Das sind die sechs pain-points nach Laloux:
- Extremer Arbeitsdruck und fehlende work-life-Balance
- Fehlende Gelegenheit zur Kreativitiät: je weiter oben auf der Leiter desto geringer die Chance etwas Neues zu tun und sich an kreativen Herausforderungen zu beweisen
- Anderen beweisen zu müssen dass man alles weiss. Man muss also Zweifel verbergen und all-wissend erscheinen
- Der Druck sehr besonders zu sein. Weil man muss ja die spezielle hierarchische Position und die ausserordentliche Bezahlung rechtfertigen
- Der Druck unter ständiger Beobachtung zu stehen; das führt zu einem Verlust an Authentizität
- Die Einsamkeit an der Spitze, die Unsicherheit erzeugt aus welcher Motivlage andere Menschen mit der Führungskraft in Kontakt sind – aus einem echten Anliegen oder aus Berechnung
Ich finde diese pain-points wunderbar und nachvollziehbar. Sie lassen sich für mich auf zwei Kern-Widersprüche von Führung zurückführen:
Der Kern-Streß ist, die Verwundbarkeit und den Wunsch nach Verbindung nicht so zeigen zu dürfen wie es dem Inneren entspricht.
Und der zweite Kern-Widerspuch scheint mir oft zu sein, dass nach dem tieferen Sinn des Tuns nur sehr oberflächlich gefragt werden darf, weil sonst tauchen zu viele Fragen auf.
Und die Lösung ist zunächst und vor allem das Aussprechen-Dürfen von Schwächen. Und dann kommt mindset-Arbeit: beobachten, wahrnehmen, auflisten der Momente von Stress und widersprüchlichen Gefühlen. Darauf basierend kann eine Ent-Mystifizierung von Führung geschehen, die höchst überfällig ist.
Recent Comments